Flüchtlingen beim Deutsch-Lernen helfen: Linguistik hilft!
Viele meiner Freunde und Bekannten haben in den letzten Wochen gesagt, dass sie sich gerne in der Flüchtlingshilfe engagieren wollen. Darunter waren auch einige, die gerne Deutsch-Kurse anbieten wollten (über die herausragende Bedeutung des Deutsch-Lernens für die Integration muss ich hier sicherlich keine großen Worte verlieren). Laien, die Deutsch unterrichten, stehen jedoch vor dem Problem, dass sie zwar Deutsch können, jedoch häufig nur wenig bis gar keine Erfahrung mitbringen. Im Netz gibt es schon vereinzelt Materialien, die hier Abhilfe schaffen wollen (siehe die Links unten). Da ich selbst nicht die Zeit habe, einen Kurs anzubieten, habe ich mir überlegt, was ich tun kann und kam auf die Idee, selbst solche Materialen im Netz anzubieten.Was könnte einem linguistisch nicht geschulten Deutsch-Lehrer/-in mehr helfen, als etwas sprachwissenschaftliches Hintergrundwissen zu haben? Ich arbeite zwar nicht im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF), interessiere mich jedoch sehr für das deutsche Schriftsystem und den Schriftspracherwerb. Also habe ich beschlossen, eine kurze (vierteilige) Videoreihe zu produzieren, die Menschen helfen soll, die anderen Menschen helfen wollen, Lesen und Schreiben zu lernen. Sicherlich ist das alles nicht vollständig und ich bin mir auch nicht wirklich sicher, ob ich das alles wirklich so verständlich erkläre, wie es sein sollte. Der eigentliche Sinn der Videos ist aber auch ein anderer. Es ist zwar sicherlich nicht möglich, aus Laien im Sauseschritt, DaF-Lehrer/-innen zu machen. Aber ein Bewusstsein für den Aufbau des Deutschen hilft sicher enorm.
Der eigentlich Sinn der Videos ist aber folgender: Ich möchte Linguistinnen und Linguisten sowie Experten aus dem Bereich DaF dazu animieren, ebenfalls Lernmaterialien online bereit zu stellen. Egal ob Videos, Texte, Übungen, etc. Dazu darf man natürlich auch gerne, das oben gezeigte Linguistik-hilft!-Logo zu benutzen (schreibt mir einfach eine kurze Mail). Natürlich, und das gebe ich gerne zu, ist eine solche Aktion auch von einem gewissen Eigennutz geprägt, denn sie zeigt auf, dass die Sprachwissenschaft nicht im Elfenbeinturm sitzt, sondern auch eine konkrete Anwendung finden kann. So kann man dem Vorurteil entgegenwirken, Linguistik sei unnütz.
Das erste der vier Videos beschäftigt sich mit der Lautstruktur des Deutschen, das zweite mit der Silbe (allerdings wird das zweite Video deutlich kürzer, da ich das meiste, was ich zu Silbe sagen wollte, im ersten Video schon verraten habe). Das dritte mit den Schreibprinzipien und das vierte mit der größten Fehlerquelle im Bereich der deutschen Rechtschreibung, nämlich mit der Groß- und Kleinschreibung. Ich hoffe, es wird nicht zu lange dauern, die nächsten Videos hochzuladen. Hier das erste Video (das wiederum aus mehreren Teilen besteht):
Links:
- Flüchtlingshilfe an der Uni Stuttgart
- Studierende der Germanistik treffen Flüchtlinge an der Uni Freiburg
- Langenscheidts kostenloses Arabisch-Deutsch-Wörterbuch
- Materialien des Goethe-Instituts
- Praxishilfen: Deutsch für Flüchtlinge
- Materialen zu DaF/DaZ (aus Österreich)
- DaF für Flüchtlinge (Materialen und Videos)
Vielen Dank für die wirklich hilfreichen Hinweise! Mit meinen Erfahrungen beim Lernen von Ungarisch als Fremdsprache kann ich nur bestätigen, wie wichtig Klarheit über die Lautstrukturen einer Sprache ist. Meine Erstsprache („Muttersprache”) ist Deutsch. Ich hatte wie viele Deutschsprachige, die zum ersten Mal nach Ungarn kommen, große Schwierigkeiten mit der Segmentierung auch im Schriftbild. Hier spielt nicht nur die Grammatik eine Rolle, die eine andere ist als im Deutschen und den anderen indogermanischen Sprachen. Erst über die ungarische Verschriftlichung von englischen Fremdwörtern ist mir etwas aufgegangen, welche Hilfe die Schreibung für die Aussprache sein kann. Denn die ungarische Rechtschreibung ist weitgehend phonetisch. Das wird einem klar, wenn man sich ein eingewandertes Wort wie ung. „flört” (für „Flirt”) oder wie „szendvics” (für „Sandwich”) oder „szexepíl” („Sexappeal”) anschaut und es dabei (fast) richtig englisch ausgesprochen hört. Das ist ganz anders als im Deutschen z. B. bei den langen Vokalen: „Stil” – „Stiel” – „zieh” – „flieh”; gesprochen klingt alles gleich (langer geschlossener „-i”-Laut); ungarische Deutschlernende sind versucht, die graphische Zeichenkombination „ie” diphtongisch, also als zwei kurze, schnell aufeinanderfolgende Vokale zu sprechen. Die deutsche Rechtschreibung ist keine Hilfe, im Gegenteil! Vokalkürze wird durch Doppelschreibung des folgenden Konsonanten angezeigt, im Ungarischen ist ein Vokal immer kurz, wenn nicht ein Akzent auf dem Buchstaben ist. „Toll” im Deutschen wird kurz ausgesprochen, nicht nur der Vokal, sondern auch der Konsonant. Im Ungarischen „toll” („Feder”, „Kugelschreiber”) hat einen kurzen Vokal und einen doppelt so langen Konsonanten! Ungarn sprechen das deutsche Wort „Hammer” mit kurzem, offenen (kehligen) –„a”-, doppelt so langem „-m-„ und einem am Gaumen rollenden „r” aus, während der Deutsche die Endsilbe „-er” zu einem kaum artikulierten „ö” verkümmern lässt. Unsoweiter.
Hallo Fabian,
vielen Dank für die Videos und die Mühe – man merkt dir echt an, dass du Ahnung von der Materie hast!
Die Phonetik-Vorlesung gehörte während meines Studiums nicht zu meinen Favoriten, allerdings ist es wirklich hilfreich, sich das nochmal ins Gedächtnis zu rufen. Ich hoffe, du führst deine Reihe weiter fort, wenn du Zeit dafür findest.
Viele Grüße, Kato
EIN HOCH DER DEUTSCHEN SPRACHE
Das Brett ist Board geworden,
Anglizismen allerorten;
Surfen, Skaten, Kiten
Durch moderne Zeiten.
Wir sagen No
Zu Coffee to go,
Weg mit Center und Shop,
Kein come in and find out;
Dem Denglisch Stopp,
Fordern wir laut –
Sprache panschen ist out.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen