Topik, Kommentar, Thema und Rhema
Da oft allgemeine Verwirrung über die Begriffspaare Topik – Kommentar und Thema – Rhema herrscht, hier ein kurzer Beitrag zum Thema „Topik, was ist das eigentlich?“
Am Beginn der Topik-Forschung stehen die Sprachwissenschaftler Hermann Paul (1846-1921) und Georg von der Gabelentz (1840-1893) [1]. Von der Gabelentz geht, in einem 1869 [2] in der Zeitschrift Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft erschienen Artikel vom Begriffspaar psychologisches Subjekt – psychologisches Prädikat aus:
Was bezweckt man nun, indem man zu einem Andern etwas spricht? Man will dadruch einen Gedanken in ihm erwecken. Ich glaube, hierzu gehört ein Doppeltes: erstens, daß man des Andern Aufmerksamkeit (sein Denken) auf etwas hinleite, zweitens, daß man ihn über dieses Etwas das und das denken lasse; und ich nenne das, woran, worüber ich den Angeredeten denken lassen will, das psychologische Subjekt, das, was er darüber denken soll, das psychologische Prädikat. (von der Gabelentz 1869:378)
In seinem Berühmt gewordenen Buch Prinzipien der Sprachgeschichte von 1880 schreibt Hermann Paul (1920:124 [1880]) ähnliches:
Das psychologische Subjekt ist die zuerst in dem Bewusstsein des Sprechenden, Denkenden vorhandene Vorstellungsmasse, an die sich eine zweite, das psychologische Prädikat anschliesst.
Paul unterscheidet geschickt zwischen grammatischem und psychologischem Subjekt bzw. Prädikat. Meist fallen diese Kategorien zusammen, aber es gibt auch Ausnahmen. So existieren im Deutschen durchaus Sätze ohne grammatisches, aber mit psychologischem Subjekt, wie Satz (1) belegt.
(1) Mich friert.
Was von der Gabelentz und Paul als psychologisches Subjekt bezeichnen, nennt man heute Topik, sein psychologisches Prädikat kennt man heute als Kommentar (engl. topic und comment). Unter einem Topik versteht man grob gesagt das, worum es in einem Satz oder einem Diskurs geht. Van Kuppevelt (1994:4629) führt zu den Begriffen aus:
The notions presuppose that a discourse unit U, a sentence or (part of) a discourse, has the property of being, in some sense, directed at a restricted set of entities and not at all entities that have come up in U.
Beim Topik dieses Diskurses U handelt es sich also um dieses eingegrenzte Menge an Entitäten. Um sie geht es in dem Diskurs (oder Teildiskurs oder Satz). Der Kommentar ist dann die Aussage, die über das Topik gemacht werden soll. Allerdings besteht keine Einigkeit darüber, ob es sich beim Topik nun um einen Teil des Satzes handelt oder um etwas worauf mittels eines Teiles eines Satzes referiert wird. Deshalb wird häufig zwischen dem Topikausdruck (engl. topic expresion) und dem Topik (der Referent des Topikausdrucks) selbst unterschieden.
Thema und Rhema
Die Begriffe Thema und Rhema beschreiben, was in einem Satz als bekannte Information vorausgesetzt wird und welche Information neu hinzugefügt werden soll. Betrachten wir die van Kuppevelt (1994:4630) entnommenen Sätze in (2).
(2) a. (Who hit Bill?)
JOHN hit Bill.
b. (What did John do to Bill?)
John HIT Bill.
c. (Who did John hit?)
John hit BILL.
Die in Majuskeln wiedergegebenen Wörter in den Sätzen sind jeweils betont. In Satz (2a) ist somit Bill, in Satz (2b) hit und in Satz (2c) Bill jeweils die neue Information (also das Rhema). Allerdings haben die Sätze alle dasselbe Topik, in allen Sätzen geht es um John.
Thema und Rhema dürfen auch nicht mit dem Fokus verwechselt werden. Zwar fallen in den John hit Bill-Sätzen Fokus und Rhema zusammen. Das muss aber nicht der Fall sein.
Topik-Tests
Van Kuppevelt (1994:4631) nennt vier Tests, von welchen drei nur auf Nominalphrasen (NP) angewandt werden können. Beim sogennanten fronting test handelt es sich nicht nur um eine einfache Topikalisierung, also eine Verschiebung einer Phrase in die linke Satzperipherie, sondern um einen Test, bei dem ein unmarkierter Satz, der eine NP enthält S<NP1> nach dem Schema „Was NP1 betrifft, S<NP1>“ paraphrasiert wird. So lässt sich der Satz „Erik trinkt eine Flasche Wein.“ paraphrasieren als „Was Erik betrifft, Erik trinkt eine Flasche Wein.“ und Erik so als Topik ermitteln.
Beim about-context test wird ein Satz S<NP1> paraphrasiert mit „Sie/Er sagte über NP1, dass S<NP1>“. Wenn also Alice den Satz „Erik trinkt eine Flasche Wein.“ äußert, dann würde die Umschreibung etwa „Alice sagte über Erik, dass er eine Flasche Wein trinkt.“ Wiederum wurde Erik als Topik ermittelt.
Beim about-questions test wird nicht paraphrasiert, sondern eine Frage nach dem Schema „Was ist mit NP1?“ erzeugt.
Der vierte und bekannteste Test, der question test arbeitet mit mehreren W-Fragen, auf welche der Satz S<NP1> eine direkte Antwort sein kann. Die Konstituenten des Satzes, die in allen Fragen auftaucht sollte nun das Topik sein.
Da alle Test Lücken aufweisen, ist es sinnvoll, immer mehrere Tests durchzuführen.
Fehlende Einheitlichkeit
Leider besteht hinsichtlich der Terminologie keine Einheitlichkeit (van Kuppevelt 1994:4629). Dies führt dazu, dass Sie sich beim Lesen wissenschaftlicher Literatur immer vergewissern sollten, welche Definitionen die Autorin/der Autor zu Grunde legt bzw. sollten Sie beim Schreiben darauf achten, dass immer präzise klar machen sollten, worauf genau sie Bezug nehmen.
Literatur:
Paul, H. (1920 [1880]): Prinzipien der Sprachgeschichte. Halle: Niemeyer.
van Kuppevelt, J. (1994): Topic and Comment. In: Asher, R. E. & Simpson, J. M. Y. (Hrsg.): The encyclopedia of language and linguistics, Vol. 9. Oxford u.a.: Pergamon Press, S. 4629-4633.
von der Gabelentz, H. G. (1869): Ideen zu einer vergleichenden Syntax: Wort- und Satzstellung. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, 6, S. 376-384.
Anmerkung:
[1] Die englische Wikipedia gibt an, dass eine Topik-Kommentar-Unterscheidung bereits 1844 von Henri Weil getroffen wurde. Leider konnte ich das nicht recherchieren. Für Hinweise bin ich jedoch dankbar!
[2] Es scheint sich eingeschlichen zu haben den Artikel auf 1868 zu datieren. Korrekt ist jedoch 1869.