Dialektologie

Wie sexistisch ist das Schwäbische?

Okay, dieser Post hat einen reißerischen Titel, zugegeben. Und ich muss auch gleich vorausschicken, dass die Daten (und deren Interpretation), auf denen dieser Post basiert wirklich mit absoluter Vorsicht zu genießen sind. Und es geht eigentlich gar nicht sooo sehr ums Schwäbische. Okay, es geht auch ums Schwäbische, aber auch ums Bairische und Fränkische.

Also gut, worum geht es? Es gibt wohl vermutlich in jeder Sprache Schimpfwörter. Gleiches gilt natürlich für Dialekte. Im Internet gibt es zahlreiche und teils sehr große Sammlungen solcher Schimpfwörter. Nun verwendet man Schimpfwörter vornehmlich, um Personen zu bezeichnen (z. B. Idiot), aber viele solcher Schimpfwörter sind auf bestimmte Personengruppen festgelegt. Manche Schimpfwörter kann man nur für Männer verwenden (z. B. Hurensohn), manche nur für Frauen (z. B. Schlampe). Andere dagegen sind neutral (z. B. Arsch). Daneben gibt es solche, die man allgemein für Kinder verwenden kann oder nur für Jungen oder nur für Mädchen. Es fällt gar nicht so leicht, Beispiele für solche Schimpfwörter exklusiv für Kinder zu finden. Hosenscheißer ist vielleicht ein Beispiel.

Dialekte haben, zumindest subjektiv betrachtet, eine besonders große Bandbreite an solchen Ausdrücken. Beim Nachdenken über solche Schimpfwörter im Schwäbischen ist mir aufgefallen, dass es scheinbar überproportional viele Schimpfwörter gibt, die sich nur auf Frauen beziehen. Das wollte ich quantifizieren. Dafür habe ich im Internet verfügbare Schimpfwortlisten genommen und zwar schwäbische Schimpfwörter [1], bairische Schimpfwörter [2] und fränkische Schimpfwörter [3]. Und hier kommt schon das erste Caveat. Die verwendeten Sammlungen mögen zwar relativ umfangreich sein, ein möglicher Bias in den Daten muss sich aber nicht notwendigerweise auf den Dialekt zurückführen lassen, sind diese Listen doch von Menschen erstellt worden, die selbst einem Bias unterliegen können, der eben in diesen Menschen liegt. Es stellt sich also die Frage, wie repräsentativ diese Wortlisten für den jeweiligen Dialekt sind. Dann wurden aus diesen Listen alle Wörter gefiltert, die Menschen bezeichnen können und diese – basierend auf den auf den Webseiten angegebenen Bedeutungen – kategorisiert. Dabei sind übrigens sicherlich auch einige Fehler passiert, das Ganze ist also vermutlich eher eine Approximation (aber das hier ist auch keine wissenschaftliche Arbeit, sondern ein Blog-Post). Solche Fehler basieren vielleicht auch auf den auf den Webseiten angegebenen Bedeutungen. In der schwäbischen Wortliste findet sich beispielsweise der Eintrag Bohnaschdang, der angeblich verwendet wird, um eine „dünne Frau“ zu bezeichnen. Meine schwäbische Intuition sagt, dass ich auch einen Mann so bezeichnen kann, aber vielleicht geht das anderen ja nicht so.

Insgesamt blieben 615 schwäbische Schimpfwörter übrig, 165 bairische und 226 fränkische. Das zeigt klar, dass für das Schwäbische klar die längste Liste vorliegt, was sicherlich auch eine Verzerrung darstellen könnte. Oder die Baiern und die Franken schimpfen nicht so viel oder sind nicht so kreativ beim Schimpfen, was allerdings wenig plausibel erscheint. Die Kategorisierung erfolgte danach, ob die Wörter nur für Männer verwendet werden können, nur für Frauen, für Erwachsene im Allgemeinen, nur für Kinder, nur für Jungen oder nur für Mädchen. Ein weiteres Manko sollte ich gleich auch noch erwähnen: Ein Vergleich zum Standarddeutschen wäre natürlich auch noch sinnvoll. Aber diese Arbeit kann sich dann ja jemand anders mal noch machen. Kommen wir also endlich zu den Resultaten (in Prozent um der besseren Vergleichbarkeit Willen):

Schimpfwörter im Schwäbischen

Schimpfwörter im Bairischen
Schimpfwörter im Fränkischen

Okay, was fällt also auf? Zunächst einmal fällt auf, dass sich das Fränkische und das Bairische ziemlich ähnlich sind, was ich persönlich nicht überraschend finde. In allen drei Dialeken gibt es im zahlenmäßigen Vergleich nur wenige Schimpfwörter, die sich nur auf Kinder beziehen und kaum welche, die sich nur für Jungen oder nur für Mädchen eignen. Und: In allen drei Dialekten überwiegen die „neutralen“ Schimpfwörter, also diejenigen, die sowohl Männer als auch Frauen bezeichnen können. Aber: In allen drei Dialekten gibt es mehr Schimpfwörter, die nur Frauen bezeichnen (im Schwäbischen etwa dauba Desch oder Besa), als solche, die nur Männer bezeichnen (im Schwäbischen etwa Lombakerle). Meine Intuition scheint also bestätigt. Im Bairischen und im Fränkischen gibt es ungefähr doppelt so viele Schimpfwörter, die nur Frauen bezeichnen können als solche, die nur Männer bezeichnen. Im Schwäbischen ist die Situation noch extremer: Nur etwa sechs Prozent der Schimpfwörter können nur auf Männer angewandt werden, aber Schimpfwörter, die nur Frauen bezeichnen machen fast 20 Prozent aller Schimpfwörter in der Liste aus (man muss aber wieder im Hinterkopf behalten, dass man die Dialekte aufgrund der Datenbasis wahrscheinlich nur eingeschränkt vergleichen kann).

Es wäre wie erwähnt wünschenswert, das Ganze noch mit dem Schimpfwort-Vokabular des Standarddeutschen zu vergleichen (und vermutlich auch insgesamt die Datenbasis auszuweiten und die Daten vielleicht auch nochmals genauer mit Erstsprachen-Sprecherinnen und -Sprechern der jeweiligen Dialekte abzugleichen). Aber ich denke, das Grundmuster ist klar: In den hier untersuchten Dialekten ist die sprachliche Abwertung von Frauen deutlich überrepräsentiert.

Schimpfwort-Quellen:

[1] https://www.schwaebisch-schwaetza.de/schwaebische_schimpfworte.php?psbOq5lvZg==#a

[2] https://www.sprachschach.de/bayerische-schimpfwoerter/

[3] https://www.freizeit-in-und-um-fuerth.de/fraenkisch-bayerische-schimpfwoerter—-dialekt-von-a—z.html